top of page

 […] an exhaust that spews cigarette smoke, a car that runs on pure vodka. She‘s revving the engine, she‘s popping the clutch, she‘s rolling straight down the hill, […]

Sarah Decristoforo_Franzmagazine.png

// Text: Nina Tabassomi

Direktorin & Kuratorin TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol / Innsbruck

Jurystatement_PAUL FLORA PREIS 2020

​

Sarah Decristoforo hat mit ihren jungen Jahren bereits ein vielgestaltiges Werk vorgelegt, das sich künstlerisch höchst präzise mit relevanten Fragestellungen unserer Zeit auseinandersetzt. In ihren komplexen Installationen verknüpft sie unterschiedliche Medien wie Video, Sound, Text, Grafik, Performance und Licht, die gemeinsam Erfahrungsräume des Fragens eröffnen. Insbesondere zeigen die Arbeiten Decristoforos die Schnittmengen verschiedener Diskurse und Praktiken um das Weibliche in unserer Gesellschaft – ihre theoretischen Wurzeln und ihre aktuellen Triebe – auf. Die Künstlerin scheint diese aber mit einem alternativen Humus zu düngen, der Möglichkeiten der Veränderung erahnen lässt. In ihrer jüngsten Arbeit verknüpft sie die Problemzusammenhänge selbstreflexiv mit den Anforderungen an junge Kunstschaffende. Nicht wissend, sondern suchend teilt sie mit dem Publikum ihrer Arbeiten gefundene Sackgassen und ihre potentiellen Öffnungen. 

​

________________________

​

// Text: Dagmar Schink

Geschäftsführung VALIE EXPORT Center​

Text zur Ausstellung  The Marvelous Miss D.

​

Diesmal wird die Show-Welt zur Bühne der Künstlerin. Hier stellen sich Fragen nach dem Unterhaltungswert der Kunst und dem sich ständig neu erfinden zu müssen der Künstler_ innen, um für das Publikum spannend zu bleiben. Die kritische Frage nach der Rollenzuschreibung der Frau in der Unterhaltungsindustrie ist deutlich thematisiert, wenngleich die Anziehungskraft am Show-Format selbst verzaubert. Den Auftakt dieser Show in sechs Akten bildet der Opening Act. Vorhang auf. Die Leuchtreklame blinkt und zieht die Vorbeikommenden in ihren Bann. Kann man den Text erkennen, belohnt uns das lautmalerische Wort, einer Fanfare gleich. TADAAA. Im Separee erleichtert sich die F.Machine und gleich nebenan kann man einer magisch-tragischen Liebesgeschichte lauschen rund um eine, in der Körpermitte zerteilten Dame, die dazu tendiert ihren Unterleib zu verlieren. Gleich mit zwei Unterleibern ist Stripsy Kingkong eine künstlerische Reaktion, die auf ein Phänomen im Netz Bezug nimmt. iStripper oder Desktop Stripper kann man sich auf den Rechner laden, um jederzeit unterhalten zu werden. Den Schlussakt bildet dann ein pulsierendes Rot. Marsover sitzt im Ochsenauge des Gebäudes. Einem Bullauge an der Schnittstelle zwischen öffentlichem Raum und Ausstellungsraum. Das Licht strahlt vom Rand aus, wird stärker und flacht wieder ab, einem Signal gleich, das nach außen kommuniziert. Begleitet und kontextualisiert wird die Show mit einem Faltblatt, das sie durchs Programm führt. Wir wünschen gute Unterhaltung!

​

________________________

​

// Text: Jürgen Tabor

Kurator und Kunsthistoriker, Innsbruck​

​

Im Mittelpunkt der Arbeiten von Sarah Decristoforo steht die Auseinandersetzung mit Filmen, Bildern, Texten und Symbolsprachen, in denen sich politische und soziale Machtpraktiken manifestieren. Ihre Arbeiten, die selbst unterschiedliche mediale Ebenen von Video und Fotografie bis zu Sound, Text und Installationen verweben, basieren auf Analysen und Rekontextualisierungen kultureller Ausdrucksformen, die repressive Mechanismen und Phantasmen transportieren – und dies auch in so intimen, aber umso sensibleren Bereichen wie der Sexualität. Das Video „My Adult Comedy Drama“ und das dazugehörige Skriptbuch entblößen bestimmte Mechanismen pornografischer Sprache, indem Decristoforo Textfragmente aus unterschiedlichen Quellen zu einer neuen, quasi überzeitlichen Collage verbindet. Inschriften von pompejanischen Bordellwänden, literarische Passagen von Pietro Aretino über Marquis de Sade bis zu Charles Bukowski, aber auch anonyme Texte aus aktuellen Cybersex-Konversationen bilden ein Geflecht pornografischer Sprechakte, die ebenso eindrücklich und bildreich wie simplifiziert und roh sind. Der Text ist im Video zu einer Konversation verarbeitet, die von zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspielern mit unverblümter Direktheit und fast ohne Emotion geführt wird. Sie verkörpern vier Charaktere (Cheerleaderin, Handwerker, Künstlerin, Pizzamann), die zwar aufeinander reagieren, aber ausschließlich das eigene Ich in den Mittelpunkt des Begehrens stellen und die/den Andere/n als Instrument zur Befriedigung erklären bzw. die Unterwerfung als das vermeintliche Begehren der/des Anderen behaupten. Das Skriptbuch versammelt detaillierte Informationen und Anmerkungen über die Quellen, Autor/innen und historischen Kontexte, aus denen die verwendeten Textpassagen stammen. Ein wesentlicher Teil der Recherchearbeit für „My Adult Comedy Drama“ führte Sarah Descristoforo im Rahmen eines Forschungsaufenthalts am Kinsey Institute for Research in Sex, Gender, and Reproduction in Bloomington/Indiana durch. 

(aus dem Katalog: Sammlung Land Tirol / 2019) 

​

__________________

​

// Text: Nina Tabassomi

Direktorin & Kuratorin TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol / Innsbruck

​

Drei einflussreiche männliche Konzeptionen von bedrohlicher weiblicher Sexualität fusionieren in Sarah Decristoforos Arbeit zu einer Figuration ambivalenten Verlangens, die in Hochspannung leuchtet: PAN-DOOR-AAAAH. Pandora (aus der griechischen Mythologie: die erste Frau und zugleich die Überbringerin allen irdischen Übels), Sigmund Freuds „Fall Dora“ (die Vorstellung von Hysterie als Folge von perversen weiblichen Neigungen), und Vladimir Nabokovs „Lolita“ (die Kindfrau, die die männliche Triebe unweigerlich provoziert) verschmelzen in einem von einer weiblichen Stimme mit erotischem Timbre gehauchten Text. Die Lautsprecherkabinen gegenüber dem rot leuchtenden Neonschriftzug PAN-DOOR-AAAAH zwängen die Köpfe der Besucher_innen in dieses enge Raster tradierter Vorstellungen und die Körper gegen steile Spitzen. Die drei Frauenfiguren weisen zahlreiche Querverbindungen auf, wie auch der annotierte Text im Leporello vorführt. Erlaubt uns das durchkreuzende, überlagernde, ad absurdum treibende Zitieren in Wort, Hochspannung und Ton diese diskriminierenden Einschreibungen von unseren sexuierten Körpern abzustreifen, oder sie zumindest umzutätowieren? (Text zur Ausstellung SEX / 2018)

 

_________________________​

Sarah Decristoforo_komplex Kulturmagazin.png

_________________________

​

// Text: Jürgen Tabor

Kurator und Kunsthistoriker, Innsbruck​

​

Ein Grundprinzip der Multimedia-und Textarbeiten von Sarah Decristoforo ist die Auseinandersetzung mit Filmen, Bildern, Texten, Symbolsprachen und Ästhetiken aus Alltagskultur und Massenmedien, die über politische und soziale Machtverhältnisse sprechen und dabei bis in intime, teils obszöne Bereiche vordringen. In ihren recherchenbasierten Arbeiten analysiert und rekontextualisiert sie kulturelle Ausdrucksformen, die so direkt und unvermittelt sind wie Graffitis und pornografische Aufnahmen, aber auch so reflektiert wie wissenschaftliche Werke. Die Licht und Soundinstallation "My Intimate Mash Up" ist einem gefundenen Wandgraffiti entlehnt, in dem das Heilige der Liebe und das Teuflische der Begierde eine ambivalente Synthese bilden. Mit der Verarbeitung der Titelmelodien der Filme „The Exorcist“ und „The Devil in Miss Jones“ nimmt sie Bezug auf eine Besessenheit, in der sich Religiöses und Sexuelles vermischen. Die Videoinstallation „My Adult Comedy Drama“ und das dazugehörende gleichnamige Skriptbuch beschäftigen sich mit pornografischer Sprache und Sprechakten. Während das Skript eine persönliche ebenso woe wissenschaftliche Textcollage darstellt, verwebt die Videoarbeit nüchtern gesprochene, aber überaus explizite Handlungsanweisungen und Beschreibungen aus verschiedenen Quellen und Kontexten zu einem dichten, rythmischen Dialog, der wie das Pornografische selbst zugleich fasziniert und irritiert. (aus: RLB Kunstpreis, Ausstellungskatalog / 2018)

 

_________________________

 

// Text: Martina Gelsinger

Kunstreferat / Diözesankonservatorat der Diözese Linz

 

Der neue Gedenkort ist als Erweiterung dem bestehenden Kriegerdenkmal vorgelagert, das in seiner historischen Substanz und Zeitgebundenheit unverändert bleibt. Die „Erweiterung“ eröffnet als Referenz dazu einen eigenständigen Dialograum, der zur Reflexion einlädt. Die wissenschaftlich recherchierten Namen und Lebensdaten sind auf einer Gedenktafel aus Glas beim Sockelaufgang zu lesen. Unmittelbar am Stufenaufgang ist ein Schriftband aus Metall im gepflasterten Boden bündig eingearbeitet. Der Text des Schriftbandes lautet: wachsam Staub verstehen Atem Loch lautlos öffnen verdrängen Augenblick vergessen Schatten Spuren bewusst hören verschweigen bewahren Gedanken erkennen verdunkeln widerstehen Wahrheit erinnern“. Es sind ausgewählte Wörter des Romans „Lena unser Dorf und der Krieg“ der Kinder- und Jugendbuchautorin Käthe Recheis (1928 - 2015). Die in Oberösterreich beheimatete Schriftstellerin setzte sich in zahlreichen Werken kritisch mit dem Thema Krieg und NS-Zeit in Oberösterreich auseinander. Die Begriffe vor dem Stufenaufgang eröffnen - aus einer räumlichen und im übertragenen Sinne zeitlichen Distanz - eine neue Perspektive. Die Wörter regen an, das Geschehen unter Einbeziehung einzelner Begriffe zu reflektieren. Die Betrachtenden werden somit Teil des gesamten Gedenkortes. Die Künstler verändern mit ihrer Intervention nicht das Denkmal, sondern lediglich seine zeitgebundene Sicht darauf und regen auf diese Weise zum „Darüber-reden“ an. (Zur Arbeit 7 Menschen – 7 Opfer. Begleittext zur die Eröffnung des Denkmals / 2018)

_________________________

 

// Text: Genoveva Rückert

Kuratorin OK Offenes Kulturhaus in Linz /Austria

​

Gefangen zwischen Muster und Motiv

Eine Straßenschlägerei, ein Bürgerkrieger aus dem Sudan, die Bloods and Crips Gang, Guantanamo Bay Häftlinge, ein Ku-Klux-Klan-Mitglied, ein Soldat mit Panzersperre zieren die  große Installation in Form eines Vorhanges. In eine stilisierte Landschaft eingebettet erscheinen die zehn Vorlagen aus dem Internet als sich wiederholende Motive. Die kupferstichartige Zeichnung, der rötlichen Farbton und das feine Blätterwerk verweisen auf die französischen Toile de Jouy Stoffe des Rokokos. Aus dem fortlaufend rapportierten Muster lösen sich erst auf den zweiten Blick statt der vermeintlichen idyllischen Schäferdarstellungen á la Boucher oder Fragonard mit Gewalt verbundene, aktuelle Medienbilder. Im figurativen Muster getarnt erscheinen sie irritierend und leichtfüßig eröffnet sich das Spiel zwischen einem durch den Vorhang abgeschotteten (häuslichen) Innenraum und dem Außen, mit seiner öffentlichen Bilderwelt. Die Strategie des Tarnens, die Kontextverschiebung, die Dialektik von außen und innen, die Beschäftigung mit der alltäglichen Gewalt und das Arbeiten mit vorhandenen Materialien und Mustern prägen das Werk von Sarah Decristoforo. (Zur Arbeit Cache-Cache, aus: Under A Tinsel Sun, III Moscow International Biennale For Young Art / 2012)

[…] REALLY LOUD FREQUENCIES OF A HUMPBACK'S SONG…WERE STARTING TO COME ONTO THE LAND BECAUSE THEY WERE TRYING TO REACH US FROM THE DEEP,DEEP, DEEP SEA. AND IT FELT REALLY REAL, LIKE…IT WAS… IT FELT TRUE OR SOMETHING, IT FELT WOBBLY, I HAVE LIKE, KIND OF HAD SEA LEGS…
SINCE.

bottom of page